4 Ergebnisse der kladistischen Analysen

4.1 Analyse von AM

4.1.1. Ergebnis: der "beste Baum"

Der PAUP® Branch-and-Bound Logarithmus bei aktivierter MIXED1-Gewichtung lieferte sechs kürzeste Kladogramme mit je 100 Schritten (= Merkmalsänderungen), einem 'consistency index' (CI) von 0,66 ohne Berücksichtigung uninformativer Merkmale und einem 'rescaled consistency index' RC von 0,52. Der Homöoplasieindex HI beträgt 0,35.

Die Indexe CI bzw. RC spiegeln die Anzahl der Veränderungen eines Merkmals in Bezug auf ein mögliches Kladogramm wieder. Sie sind wie folgt definiert (nach Swoffort, 1991): Sei S die Anzahl der Schritte (Veränderungen), die ein Merkmal bei einem betrachteten Baum ergibt, M die minimal mögliche Anzahl in Bezug auf jeden denkbaren Baum und G die entsprechende maximale Anzahl, dann ist CI = S/M und RC = CI × (G-S)/(G-M). Der Term (G-S)/(G-M) wird auch als 'retention index' RI bezeichnet und ist ein Korrekturfaktor (vgl. Farris 1989a, 1989b). HI ist ein Maß für die Konvergenz innerhalb eines Kladogramms. Beim Fehlen von Polymorphismen gilt definitionsgemäß: HI = 1- CI.

Alle sechs Bäume stimmen in der Positionierung der mesozoischen und känozoischen Cycadeen überein (ÕAbb. 4-1), lediglich die Stellung einiger schon im Paläozoikum existierende Formen (Archaeocycas, Phasmatocycas, Spermopteris) ist unterschiedlich (Õ Abb. 4-3). Der aus ihnen abgeleitete strikte 'consensus tree' (Abb. 4.1) hat 101 Schritte. Sein CI liegt dementsprechend bei 0,65 (RC = 0,52), der HI bei 0,35. Gleich parsimonisch sind solche Bäume, bei denen Microcycas anstelle von Ceratozamia die nächst verwandte Gattung von Chigua und Zamia darstellt (= kladistischen Analyse von Stevenson). Die Frage, ob Microcycas oder Ceratozamia das Schwestertaxon von Zamia und Chigua repräsentieren, spielt für die Einteilung der restlichen rezenten und der fossilen Taxa jedoch keine Rolle und kann im Folgenden vernachlässigt werden.

Stellung mesozoischer und känozoischer Taxa

Cycas bildet zusammen mit Crossozamia die Schwestergruppe zu den restlichen "höheren" Cycadeen. Diese unterteilen sich in die mesozoische Gruppe der Nilssoniaceenidentisch mit (Familie) Nilssoniaceae Kimura, Sekido, welche Nilssoniocladus und die Harrisschen BAN-Komplexe umfaßt (Kimura & Sekido, 1975) und die mindestens seit der Kreide vorkommenden Zamiaceen i.w.S.. Die jurassische Assoziation Androstrobus prisma wird als Schwestertaxon zu Nilssoniaceen und Zamiaceen i.w.S. gestellt. Diese Eigenständigkeit von A. prisma beruht ausschließlich auf Besonderheiten in der Morphologie der reproduktiven Organe , die z.T. nur schlecht überliefert sind. Innerhalb der Zamiaceen bilden die Encephalartoideae zusammen mit Microzamia eine eigene Verwandtschaftsgruppe , im folgenden als Microzamia-Dioon-Clade bezeichnet, die sich deutlich von den ausschließlich aus dem Känozoikum bekannten Stangeriaceae und Zamioideae abhebt.

PAUP® bietet die Möglichkeit, bei der Suche nach dem "besten Baum" auch solche Kladogramme zu erfassen, die eine gewisse Anzahl von Schritten länger sind. Während die Stellung der paläozoischen und triassischen Taxa in der selben Art und Weise wie bei der Suche nach dem kürzesten Baum variiert (ÕAbb. 4-3), ändert sich die Stellung der fossilen Taxa Beania gracilis, Beania mamayi, Nilssoniocladus und Microzamia gegenüber den rezenten Clades der Encephalartoideae, Stangeriaceae und Zamioideae (ÕAbb. 4-2, vgl. Diskussion in Kap. 5.2).

Stellung der paläozoischen und triassischen Formen

Die frühen Formen Archaeocycas, Phasmatocycas und Spermopteris sind nur schlecht definierte Basistaxa, die sich nur in wenigen Merkmalen unterscheiden. Die sterilen Blätter Lesleyas heben sich durch mehrfach gegabelte, eher longitudinal ausgerichtete Seitenvenen von denen anderer Taxa ab. Für Archaeocycas lassen sich keine charakteristischen Merkmale festmachen. Spermopteris zeichnet sich durch das Fehlen axialer Samenanlagen aus, Phasmatocycas durch die weitgehende Reduktion der Makrosporophyllamina. Die sechs kürzesten Kladogramme sind die Folge der Permutation in der Anordnung der drei paläozoischen Taxa Archaeocycas, Spermopteris und Phasmatocycas (Õ Abb. 4-3). Betrachtet man nur die Basisgruppen, ergeben sich die wenigsten Merkmalsänderungen innerhalb dieser Gruppe, wenn Spermopteris und Phasmatocycas als nächste Verwandte aller restlichen Cycadeen angenommen werden (Abb. 4-3 F). Deutlich positionieren läßt sich hingegen das triassische Taxon Bjuvia. Es wird immer als unmittelbare Schwestergruppe zu den "höheren" Cycadeen gestellt, eine Folge der Ähnlichkeit mit Cycas und Crossozamia. Ebenfalls in allen "besten Bäumen" vorhanden, ist das Monophylum aus der seit dem Perm bekannten Gattung Crossozamia und der Gattung Cycas.

4.1.2. Phylogenetische Aussagen

Legt man den oben beschriebenen 'consensus tree' (Õ Abb. 4-1) zugrunde, lassen sich folgende Merkmale als Syn- bzw. Autapomorphien bestimmter Gruppen oder Taxa ausmachen:

gefiederte Megasporophylle [2.9], Platyspermie [2.18], fossulate Pollen [2.34] Synapomorphien der Cycadaceen (Crossozamia, Cycas); die bei rezenten Cycadeen verbreiteten "einfachen" Megasporophylle - [2.9] - sind somit als plesiomorph anzusehen
Reduktion des E Strobilus [2.5] Synapomorphie der Gattung Cycas,
biovulates Megasporophyll [2.13] Autapomorphie der Zamiaceen i.w.S., der Nilssoniaceen und von Androstrobus prisma
proximale Mikropyle [2.16], foveolate Pollen [2.34] Autapomorphien der Zamiaceen i.w.S. und Nilssoniaceen
ovale Megasporophyllschilde [2.11], isolierte Sporangien [2.32] Synapomorphien der Nilssoniaceen ð Autapomorphie von Beania gracilis, Beania mamayi und möglicherweise Nilssoniocladus
geschlossener weiblicher Strobilus [2.5], Synangien [2.33] Synapomorphien aller Zamiaceen i.w.S., i.e. Encephalartoideae, Microzamia, Stangeriaceae und Zamioideae
Strobilusstiel mit Kataphyllen bedeckt [2.6] Autapomorphie von Microzamia und den Encephalartoideae ð Synapomorphie des Microzamia-Dioon- Clades)
Seitenvenen anastomisieren an der Fiederspitze [2.24] Synapomorphie der Encephalartoideae
laterale Loben am Megasporophyll [2.12] Synapomorphie der Encephalarteae
psilate Pollen [2.34] Autapomorphie von Macrozamia und Lepidozamia
Stipulae [2.28], Sporophylle in pseudovertikalen Reihen angeordnet [2.37] Autapomorphien der Stangeriaceae und Zamioideae
abaxial liegende Samenanlagen [2.14], Mittelrippe [2.21], Petiole mit kreisförmig angeordneten Leitbündeln [2.27], Stipulae vaskularisiert [2.28] Synapomorphien der Stangeriaceae
Strobilusapex steril [2.7], Fiederbasis artikulat [2.20] Synapomorphien der Zamioideae,
Stacheln auf Rhachis und Petiole [2.26] Autapomorphie von Ceratozamia, Zamia und Chiguamögliche Autapomorphie für Microcycas, 
		Chigua und Zamia (s.o., vgl. auch Stevenson, 1992): gleich geästelte, farbige Trichome [2.2]

Von phylogenetischer Bedeutung sind auch die sogenannten MPR-Sets Abk. für 'maximally parsimonious reconstruction', i.e. die Zustandsveränderung eines Merkmals in einem gegebenen 'besten Baum'.. Dabei ist zu beachten, daß die MPR keine Aussage darüber macht, welcher Zustand ursprünglich und welcher abgeleitet ist. Im folgenden implizierte phylogenetischen Aussagen beruhen auf dem stratigraphischen Auftreten der verschiedenen Taxa.

- Bau des weiblichen Strobilus; Merkmale [2.5], [2.7], [2.37]: Die ältesten bekannten Strobili bestehen aus locker um eine zentrale Achse angeordneten Sporophyllen. Davon leiten sich durch Kompaktion - zum besseren Schutz der Samenanlagen und Samen - die geschlossenen Strobili modernerer Cycadeen und durch Reduktion der zentralen Achse die Fruchtstände der Gattung Cycas ab, vergleichbar der entsprechende Rekonstruktion von Zhifeng Gao und B. Thomas (Zhifeng & Thomas, 1986) Vor diesem Hintergrund lassen sich die 'kohlkopfartigen' Sporophyllstände ('cabbagelike') der Cycas pectinata Gruppe als Übergangsform interpretieren (s. Norstog & Nicholls, 1997: S. 205, Fig. 7.3).. Innerhalb der Taxa mit geschlossenen Strobili erreichen die Stangeriaceae und Zamioideae die höchste Kompaktion (pseudovertikale Reihen, s.o.) und die Zamioideae die stärkste Spezialisierung (steriler Apex, s.o.).

- Morphologie des Megasporophylls; Merkmale [2.8] bis [2.11]; Abbildung 4-4: Es sind zwei Entwicklungstendenzen erkennbar: 1., das Aufgeben der Bifunktionalität (Trophosporophyll ð Sporophyll + Trophophyll) und 2., die Verlagerung der Samenanlagen zur (Strobilus)Mitte bei den "höheren" Cycadeen, um einen besseren Schutz zu gewährleisten (vgl. auch Abb. 4-5).

- Lage und Anzahl der Samenanlagen; Merkmale [2.12] bis [2.17]; Abbildung 4-5: Bei geologisch alten Cycadeen liegen die Samenanlagen (£ 30 bei Phasmatocycas) an der abaxialen Oberfläche (B). Spermopteris (A) mit seinen nicht direkt an der Rhachis ansitzenden Samenanlagen repräsentiert möglicherweise den "Urtypus". Bei den spätpaläozoischen bis unterjurassischen Formen - Bjuvia, Crossozamia - sowie Cycas (C, D) sitzen sie lateral an der Sporophyllachse an, eine bedeckende oder ummantelnde Lamina fehlt vollständig. Im Zuge der Bildung eines kompakten Strobilus reduziert sich die Anzahl der Samenanlagen auf zwei, die adaxial des Sporophyllstiels ansitzen (E). Die Mikropyle ist im Gegensatz zu den älteren Taxa proximal orientiert mit Ausnahme von Androstrobus prisma (Hill 1990). Die abaxial liegenden Samenanlagen der känozoischen Stangeriaceae (F) sind entweder als Rückentwicklung oder Rudiment zu interpretieren.

- Blattmorphologie; Merkmale [2.19], [2.20], [2.22] bis [2.24]: Die MPR für diese Merkmale ist konform mit der Hypothese von S. Mamay, nach der ganzrandige Formen durch fortschreitende Zerschlitzung in gefiederte Formen übergehen (Mamay, 1976). Analog leiten sich die bipinnaten Blätter der Gattung Bowenia von Stangeria ab. Die dorsale Lage der Lamina einiger Taxa ist eine konvergente Tendenz unterschiedlicher, nicht näher verwandter Gruppen. Abgeleitet sind sowohl die breit auslaufenden Fiederbasen (konvergent), als auch die artikulaten Fiedern (synapomorph). Ferner findet sich tendenziell ein Übergang von parallelnervigen, ungeteilten Venen (taeniopteride Formen, mesozoische Taxa, meiste Encephalartoideae) zu einfach bis mehrfach gegabelten Venen (meiste rezente Taxa) und eine deutliche Tendenz zur Verringerung der Aderungsdichte (~20 pro cm bei Pseudoctenis spp., Nilsonia spp., <5 pro cm bei Macrozamia spp.).

- Morphologie der Mikrosporophylle; Merkmale [2.30] bis [2.33]: Die Tendenz geht von keilförmigen Sporophyllen mit ± dreieckigem sterilen Apex (Cycas, Dioon) über solche mit rautenförmigem Apex (Androstrobus, Encephalartos, Macrozamia, Lepidozamia, Stangeria) zu peltaten Mikrosporophyllen mit einem hexagonalen apikalen Schild (Bowenia, Ceratozamia, Chigua, Microzamia, Zamia). Die Sporangien stehen in ± gut definierten Gruppen an der Sporophyllunterseite. Abgeleitet sind die Synangien bei Dioon und Macrozamia und die isoliert stehenden Sporangien bei Androstrobus manis und A. wonnacottii.

- Pollenanatomie; Merkmale [2.34] bis [2.36]; Abbildung 4-6: Der Pollengrundtypus der Cycadeen hat eine granulierte Intine, die Sexine entspricht dem Stangeria- oder Dioon-Typus und die Oberfläche ist foveolat. Diesem Grundtyp entsprechen Dioon bzw. Encephalartos auf der einen und ein hypothetischen Vorläufer (X sp.) der Stangeriaceae und Zamiaceae auf der anderen Seite. Von Dioon bzw. Encephalartos abgeleitet sind die psilaten Pollen von Macrozamia und Lepidozamia und möglicherweise der atectate Pollen von Androstrobus prisma (Reduktion oder "Urform"). Von X sp. leiten sich die Formen ab, deren Sexine dem Zamia-Typus entspricht; außerdem solche mit einer laminierten Intine. Entferntester Verwandter des Grundtypus ist die Gattung Cycas.

4.1.3 Clades fossiler und rezenter Taxa

Die Analyse bestätigt zum größten Teil die rezentmorphologischen Verwandtschaftsbeziehungen: Die "höheren" Cycadeen (Õ Abb. 4-7) gliedern sich in zwei Verwandtschaftsgruppen : Cycadaceen und dem Nilsonia-Zamia-Clade aus Androstrobus prisma, Nilssoniaceen und Zamiaceen i.w.S.. Daß Crossozamia und Cycas dabei als eine Verwandtschaftsgruppe innerhalb der Cycadeen auftreten, beruht in erster Linie auf Merkmalen, die sich auf die E reproduktiven Organe beziehen.

Ähnlichkeiten in der äußeren Morphologie legt eine höhere Verwandtschaft Bjuvias mit den Cycadaceen als mit dem Nilsonia-Zamia-Clade nahe (vgl. Hill, 1987). Eine genaue Einordnung ist aber aufgrund einiger Lücken und Unterschiede nicht möglich (s.a. Kap. 5.1.2).

Die Einbeziehung des Androstrobus prisma Komplex in ein Monophylum - den Nilsonia-Zamia-Clade - mit den Zamiaceen und Nilssoniaceen ist plausibel, auch wenn die genaue Stellung aufgrund einiger fehlender (v.a. E ) Merkmale unsicher bleibt. Die von C. Hill angedeutete Ähnlichkeit des E Sporophylls mit denen der Cycadaceen (Hill, 1987, 1990) müßte genauer untersucht werden. Details in der Pollenanatomie und dem Blattypus legen eine größere Verwandtschaft mit den Encephalartoideae als mit jeder anderen Gruppe (Nilssoniaceen, Zamioideae, Stangeriaceae) nahe.

Das Zusammenfassen der BAN-Komplexe mit Nilssoniocladus als Nilssoniaceen bleibt hypothetisch, solange die reproduktiven Organe von Nilssoniocladus unbekannt sind.

Die Zamiaceen i.w.S. stellen eine gut definierte monophyletische Gruppe dar, analog der UO. Zamiineae in der rezenten Systematik. Allerdings werden die Encephalartoideae, zusammen mit Microzamia, deutlich von den restlichen Zamiaceen i.w.S. getrennt. Daher ist die - rezent monophyletische - Familie der Zamiaceae (Encephalartoideae und Zamioideae) nicht mehr repräsentiert. Statt dessen bilden Bowenia, Stangeria und die Zamioideae eine Verwandtschaftsgruppe, den Zamia-Stangeria-Clade.

Microzamia kann aufgrund einer guten Synapomorphie In der rezenten Systematik eine von zwei Synapomorphien der Encephalartoideae (Stevenson, 1992). und Übereinstimmungen im Blatthabitus und beim Bau des E Strobilus als direkter Verwandter der Encephalartoideae angesehen werden (ð Microzamia-Dioon-Clade). Allerdings ist diese Zuordnung aufgrund des Fehlens des G Strobilus unsicher (vgl. Abb. 4-2). Es fehlen jedoch Merkmale, die als Autapomorphien mit dem Zamia-Stangeria-Clade herangezogen werden könnten. Ähnlichkeiten bestehen nur bei offensichtlich konvergenten oder plesiomorphen Merkmalen (Õ Anhang B).

Spermopteris könnte als möglicher Vorläufer von Phasmatocycas (Mamay, 1976; Kerp, 1983; Gillespie & Pfefferkorn, 1986) eine Art Stammform aller Cycadeen repräsentieren. Völlig offen bleibt die Bedeutung von Archaeocycas und Lesleya.

4.1.4 Einfluß der Gewichtung

Tabelle 4-8 gibt einen Überblick über Anzahl der "besten Bäume", Länge, Indexe und den jeweiligen 'consensus tree', die durch Annahme eines bestimmten 'weight sets' erzeugt wurden. Dabei bezieht sich die Länge auf die Anzahl der Merkmalsänderungen. Die Indexe der "besten Bäume" wurden jeweils bei aktivierter Gewichtung berechnet  Ansonsten ergibt die Berechnung für jeden Baum mit der Länge 100 dieselben Werte, entsprechend der Definition der Indexe.. CI, RC und HI der 'consensus trees' wurden bei einfacher Gewichtung (= ALLEQUAL) berechnet. Es wird ersichtlich, daß sich die "besten" individuellen Bäume durch SPECIAL-Gewichtung erzeugen lassen, im Konsens allerdings die MIXED1-Gewichtung die besten Indexe und den kürzesten 'consensus tree' ergibt. Die geringsten Übereinstimmungen zwischen den "besten Bäumen" erhält man durch ALLEQUAL-Gewichtung (viele verschiedene Bäume, 'consensus tree' um zwei Schritte länger als bei MIXED1, RC < 0,5).

4.2 Analyse von GM

4.2.1 Ergebnis der Sequenzierungen

Bis auf Encephalartos natalensis und Macrozamia spiralis liegt für alle der Analyse zugrunde liegenden Arten die nahezu vollständige zu erwartende Basensequenz vor. Das in der Analyse verwendbare Stück ist bei den verschiedenen Gymnospermen zwischen 575 und 585 bp lang, bei Lycopersicon esculentum 608 bp. Durch das 'alignment' ausgehend von hochkonservierten Bereichen ergeben sich verschiedene Teilstücke, deren Länge leicht variiert. Diese Variation zeigt keine über die Gattungsebene herausgehende systematische Signifikanz. Auffällig ist jedoch eine Lücke von 36 bp, die Lycopersicon von allen untersuchten Gymnospermen trennt. Ein Vergleich mit der 26S-rDNA in dieser Analyse nicht betrachteter Gymnospermen und Angiospermen bestätigt dieses Phänomen. Nach dem 'alignment' stehen für die kladistische Analyse insgesamt 706 Merkmale (= Anzahl der Basenpaare inkl. 'alignment gaps') zur Verfügung. Davon liegen 65 in den z.T. nicht vollständigen, hochkonservierten Anfangs- und Endbereichen (bp 1 bis 38 bzw. 680 bis 706). Es verbleiben 641 Merkmale, die bei 22 der insgesamt 25 sequenzierten Taxa vorhanden sind; parsimonisch informativ sind davon 305 Merkmale.

4.2.2 Statistische Betrachtung der Nukleotide bzw. Basenpaare

Die Frequenz, mit der die verschiedenen Basen repräsentiert sind, schwankt nur geringfügig von Taxon zu Taxon (Õ Anhang B). Bei Lycopersicon und den nicht zu den Cycadeen zählenden Gymnospermen dominieren Guanin (35-38%) und Cytosin (26-29%) gegenüber Adenin (19-20%) und Thymin (14-18,5%). Dieser Trend ist auch bei den meisten Cycadeen vorhanden. Besonders hohe AT-Gehalte finden sich hingegen bei Ceratozamia mexicana (insgesamt 56%), Cycas taiwanensis und Zamia pumila (je 54%). Möglicherweise als Folge der unterschiedlichen Sequenziermethoden (die Genbanksequenzen wurden zum größten Teil direkt sequenziert) zeigen die von mir selbst sequenzierten rDNA-Teilsequenzen immer höhere AT-Gehalte als vergleichbare Arten aus der Genbank. Eine klimagebundene Kopplung kann insofern ausgeschlossen werden, da alle untersuchten Cycadeen in weitgehend naturidentischen Umgebungen gezogen werden. Die entsprechenden natürlichen Herkunftsgebiete sind unterschiedlich gestreut, der Trend hoher GC-Gehalte bei Arten mit Ausdehnung in höhere Breiten kann nicht nachvollzogen werden (Õ Anhang B). Die prozentuale genetische Distanz zwischen zwei Taxa beträgt im Mittel ~20% (Õ Anhang B). Maximale Übereinstimmung findet sich bei Cycas rumphii und Cycas revoluta, die zu 99% identisch sind. Maximale Unterschiede finden sich im Prinzip zwischen den Zamioideae (im geringeren Maße auch den Encephalarteae) und den nicht zu den Cycadeen zählenden Taxa (Coniferales, Anaspermae). Der teilweise recht großen Distanzen zwischen vermutlich nah verwandten Arten (z.B. Cycas taiwanensis gegenüber C. rumphii und C. revoluta) resultieren in erster Linie aus zahlreichen Basentransitionen (s.o.), welche sich in einem hohen Ti/Tv Verhältnis widerspiegeln (Õ Anhang B). Ferner ist das Ti/Tv Verhältnis zweier Cycadeen generell höher als das zweier Nicht-Cycadeen bzw. eines gemischten Paares.

4.2.3 Alignment

Die Namen der Taxa sind mit den jeweils drei ersten Buchstaben des Gattungs- und der Artbezeichnung abgekürzt. Die Bezeichnung der Basen entspricht der gängigen Nomenklatur:

 

Alignment anzeigen ð &

 

4.2.4 Ergebnis der kladistischen Analyse mittels PAUP®

Die wiederholte heuristische Suche  Hierbei wurde sowohl die START- als auch die ADDSEQ-Option mehrfach variiert, um einen möglichst 'guten' Baum zu erhalten. auf Basis aller vollständigen Basensequenzen (641 Basenpaare, 22 Taxa) mit Lycopersicon esculentum als Außentaxon lieferte einen "besten Baum" (Abb. 4-9 A) mit einer Länge von 1362 Schritten und einem CI INF von 0,6 (RC INF = 0,31, CI GES = 0,62 Da nur relativ wenige Sequenzen untersucht wurden, werden bei genetisch erzeugten Kladogrammen, sowohl der CI inklusive uninformativer Merkmale (CI gesamt/CIGES), als auch der CI ohne uninformative Merkmale (CI informativ/CIINF) angegeben.). Er bestätigt (I) die Cycadales als Monophylum innerhalb der Gymnospermen mit Ginkgo biloba als den nächsten noch lebenden Verwandten. Intern (II ) gliedern sich die Cycadeen in den Grundzügen entsprechend der bestehenden Systematik: Cycas als eigenständiges Phylum; demgegenüber stehend (III) als Schwestergruppen Stangeria und die Zamiaceae Kaum länger wären solche Bäume, in denen diese beiden Gabelungen als eine Polytomie gewertet werden.. Innerhalb der Zamiaceae (IV) ist lediglich die Stellung von Dioon als Schwestergruppe zum Rest signifikant. Die geringe Anzahl der Schritte (Basenersetzungen) zwischen den Gabelungen III und IV darf bei der Bewertung der Lage von Stangeria und Dioon nicht außer acht gelassen werden. Arten der selben Gattung (wie z.B. Dioon edule und D. spinulosum) fallen im Stammbaum zusammen, unabhängig davon, ob die Sequenz aus der Genbank stammt (D. edule) oder von mir selbst sequenziert wurde (D. spinulosum). Ähnliches gilt im Prinzip auch für Encephalartos altensteinii und E. lebomboensis, allerdings konnte der PAUP®-Suchalgorithmus nicht genügend viele gattungsspezifische Synapomorphien finden, um sie deutlich von den restlichen Zamiaceen (Macrozamia sp., Lepidozamia sp., Microcycas sp., Ceratozamia sp., Zamia spp.) abzuheben. Implementiert man einen entsprechenden 'morphological constraint' Der sog. 'morphological constraint' besteht dabei darin, daß nur solche Bäume berücksichtigt werden, bei denen E. lebomboensis und E. altensteinii als ein Clade auftreten. , ergibt sich ein Baum, der mit 1440 Schritten nur um 78 Schritte länger ist als der kürzeste Baum (Õ Anhang B).

Ein anschließender Bootstrap-Test mit 1000 Replikaten bestätigt dieses Ergebnis (Abb. 4-9 B). Das Monophylum Cycadales ist in 100% der Replikate repräsentiert, die Stellung von Ginkgo biloba als Schwestergruppe bei immerhin 55% ( V). Auffällig wiederum die Stellung von Stangeria eriopus als Seitengruppe (bei 65%, VI) zu den verbleibenden drei genetischen Linien der Cycadeen : Cycas spp. (in 100% der Replikate), Dioon spp. (ebenfalls 100%), den Encephalarteae und Zamioideae (bilden in 56% der Fälle ein Monophylum, VII). Interessant auch die Stellung der einzelnen Taxa innerhalb des Encephalartos-Zamia-Clades. Während Microcycas zu den Encephalarteae (Lepidozamia, Encephalartos., Macrozamia ) gestellt wird, bildet Ceratozamia zusammen mit den Zamia spp. ein Monophylum.

Es gibt bis dato kaum Untersuchungen über genetische Variabilität und Mutationsraten bei den Cycadeen. Um festzustellen, inwieweit variable und konservierte Regionen die kladistische Analyse beeinflussen, wurde getrennt nach konservativen und variablen Regionen (CHARSETs "conserved", "variable"; Õ Anhang C) eine Branch-and-Bound Analyse der Innengruppe (O. Cycadales) durchgeführt. Verdopplungen, Inserts und 'alignment gaps' (CHARSET "all_gaps") wurden dabei außer acht gelassen, um eine möglichst objektive Analyse durchzuführen. In den konservierten Regionen steckt kaum systematisch verwertbare Information (Õ Abb. 4-10 ). Deutlich nur die Gliederung in die beiden Stevensonschen Unterordnungen: Cycadineae bzw. Zamiineae. Dioon, Zamia und Ceratozamia bilden innerhalb der Zamiineae eigenständige Äste, die nur in wenigen Merkmalen mit anderen Taxa übereinstimmen. Der Clade aus Encephalarteae und Stangeria wird durch relativ viele Synapomorphien unterstützt. Innerhalb dieses Clades folgt die Analyse nur sehr wenigen informativen Basenpaaren. Auch spiegelt sich der unterschiedliche AT-Gehalt der selbstsequenzierten und der Genbanksequenzen wider (s.o.), wodurch die selbstsequenzierten Taxa in eine mehr oder weniger "abgeleitete" Position gedrängt werden. Die MPR der einzelnen Merkmale (Basenpaare) liefert dabei überwiegend Basentransitionen, ausgehend von der Basensequenz von Cycas revoluta bzw. Cycas rumphii.

Demgegenüber zeigen die variablen Regionen eine höhere systematische Auflösung (Õ Abb. 4-11), der Einfluß des AT-Gehalts tritt zurück und solche Taxa, die einer Gattung angehören, werden als nächste Verwandte erkannt. An der Stellung der Encephalarteae und Zamioideae ist besonders interessant, daß Encephalartos lebomboensis in Bezug auf die variablen Regionen eine Art "Stammform" darstellt, von der sich alle anderen Encephalarteae und Zamioideae sukzessive ableiten lassen. Berücksichtigt man alle Basenpaare gilt dies nur eingeschränkt (s.o.): hier bilden die beiden Zamia spp. aufgrund der konservativen Regionen ein eigenes Monophylum (Õ Abb. 4-9 A, Abb. 4-10). Die Einbeziehung aller 'gaps' bei der Analyse der variablen Regionen führt zu einer 'crown group' aus Z. pumila, Z.. furfuracea und Microcycas calocoma (Õ Anhang B).

Die höheren AT-Gehalte der selbstsequenzierten Taxa verzerren den "besten Baum" zugunsten von Gruppen, die nur geringe Signifikanz aufweisen. Die folgende Branch-and-Bound Analyse beschränkte sich daher nur auf die selbstsequenzierten Taxa. Das daraus abgeleitete Kladogramm ( Abb. 4-12) ist konsistent mit dem "besten Baum" in Abbildung 4-9 A. Auffällig ist, daß die zu den Zamioideae zählenden Taxa (Ceratozamia mexicana, Zamia pumila und Micro-cycas calocoma) durch ähnlich viele Merkmalsänderungen von Cycas (UO. Cycadineae) getrennt sind. Die Taxa der Encephalartoideae (Dioon spinu-losum, Macrozamia communis, Ence-phalartos altensteinii und Lepidoza-mia peroffskyana) scheinen hingegen näher mit Cycas verwandt zu sein. Je nach Charakterdefinition (Õ Kap. 3.3) steht Lepidozamia peroffskyana näher bei Encephalartos altensteinii (TYPE-SET "stchar") oder Macrozamia communis (TYPESET "modchar"). Die Miteinbeziehung der nicht vollständig sequenzierten Taxa Macrozamia spiralis und Encephalartos natalensis ergibt den in Abbildung 4-13 dargestellten "besten Baum".

Daß beide Encephalartos-Arten wiederum als unmittelbar verwandt herauskommen, bestätigt die relativ gute Aussagefähigkeit der Daten für einen Vergleich oberhalb der Gattungsebene (vgl. Kap. 4.2.2 ). Es läßt sich vermuten, daß durch weitere Sequenzen das kladistische Bild klarer wird. Die genetische Verwandtschaft zwischen Macrozamia spiralis und Microcycas calocoma muß weiter überprüft werden (s.a. Kap. 5.1.1). Eliminiert man Macrozamia spiralis aus der Analyse, fallen alle Encephalarteae als ein Clade zusammen mit Lepidozamia peroffskyana als Schwestertaxon zu Encephalartos spp. (Õ Anhang B). Microzamia calocoma fällt dann komplett aus dem Encephalarteae-Zamioideae-Clade heraus.

Im Gegensatz zur heuristischen Suche über alle Taxa zeigen unterschiedliche 'type sets' und 'weight sets' bei der auf selbstsequenzierte Taxa reduzierten Suche keinen Einfluß auf das Ergebnis (ähnliche AT-Gehalte, weniger signifikante 'alignment gaps'). Tabelle 4-14 gibt einen Überblick über Anzahl und Länge der "besten Bäume", CIINF, CIGES und RCINF bei verschiedenen Gewichtungskombinationen (Õ Anhang C) Bei Betrachtung aller Taxa wären die Abweichungen aufgrund der unterschiedlichen AT-Gehalte (s.o.) zwischen MODCHAR und ST(andard)CHAR größer..