6 Ergebnis: Die Clades der Cycadeen
Die Cycadeen sind eine monophyletische Gruppe, sowohl aus morphologischer, als auch aus molekularbiologischer Sicht. Innerhalb dieser Ordnung lassen sich die folgenden Äste deutlich voneinander abgrenzen:
I. Cycas-Clade
(Cycadaceen). Eine mindestens seit dem Perm vorhandene, besonders aus genetischer Hinsicht relativ konservative, monophyletische Gruppe mit blattähnlichen, ± gefiederten Makrosporophyllen und (meist?) gefiederten Blättern. Während die Fiedern bei Crossozamia noch parallelnervig sind, zeigen sie bei Cycas und dem jurassischen Blattgenus Paracycas (Harris, 1964) nur die für Cycas typische einnervige Mittelrippe . Der E Strobilus ist bei Cycas reduziert. Molekulare und physiologische Daten legen eine Entwicklung parallel zu allen anderen Cycadeen nahe. Entsprechend der kladistischen Analyse zählen zum Cycas-Clade Crossozamia und Cycas, möglicherweise auch Florins Bjuvia simplex. Der Ursprung liegt nach dem bisherigen Fossilbefund in Ostasien, dem damaligen Kontinent Cathaysia. Von dort aus konnten sie sich im Mesozoikum, nach der Schließung des Urals, möglicherweise über Gesamtasien bis Europa ausweiten, wie Funde von Cycadites, Paracycas und Nov. gen. 1, 2 (Hill,1987) in Yorkshire und Transkaukasien bzw. von Crossozamia in Frankreich zeigen. Das Fehlen von Cycadaceen in den ehemaligen Gondwana-Kontinenten Südamerika und Afrika kann bedeuten, daß die Besiedelung Indiens, Madagaskars und des australisch-ozeanischen Raums erst in jüngerer geologischer Zeit erfolgte. So finden sich z.B. Fossilien von Lepidozamia, Macrozamia und Bowenia im Eozän des Südosten Australiens, jedoch keine Funde von Cycas. Die Besiedelung Indiens erfolgte somit nach der himalayischen Orogenese von Indochina aus, die von Madadaskar und Mikronesien ist möglicherweise anthropogener Natur und erfolgte erst im Zuge der Ausbreitung des polynesischen Kulturkreises.II. Nilsonia-Zamia-Clade
. Monophylum, das alle mesozoischen und känozoischen Taxa beinhaltet, die nicht zum Cycas-Clade zählen. U.a. umfaßt er alle rezenten Mitglieder aus der UO. Zamiineae Stevenson. Charakteristische Merkmale sind 1., die überwiegend adaxial liegenden (außer bei Stangeria und Bowenia), proximal ausgerichteten einpaarigen Samenanlagen und 2., die Aggregation der reduzierten ± schildförmigen, ± deutlich gestielten Makrosporophylle um eine zentrale Achse. Ursprünglich weltweit verbreitet, kommen ihre Vertreter rezent (fast) nur noch auf den ehemalig zu Gondwana zählenden Südkontinenten vor (Ausnahme: mittelamerikanische Gattungen und Arten, Zamia sp. in Florida). Morphologisch und genetisch repräsentieren sie die variablere Gruppe. Sie gliedern sich weiter in dieII.1 Nilssoniaceen
(= Fam. Nilssoniaceae Kimura, Sekido). Eigenständige, mesozoische (?Trias bis Kreide) Gruppe möglicherweise leptokauler und blattwerfender Formen (Ö rezenten Cycadeen), die bis in die (warm)gemäßigten Klimate vorkamen. Die kladistische Analyse ergab keine "harten" Synapomorphien. Dazu gehören die Harrisschen BAN-Komplexe und Nilssoniocladus, möglicherweise auch andere, morphologisch ähnliche Blätter des Formgenus Nilsonia. Ihren biogeographischen Höhepunkt erreichte diese Gruppe in der Unterkreide. Sie verschwinden in der Oberkreide oder werden durch modernere Formen (möglicherweise Angehörige der Zamiaceen i.w.S.) ersetzt. Der leptokaule Wuchs und die oberflächliche Morphologie des Zapfens können ein Hinweis darauf sein, daß Leptocycas ebenfalls in diese Gruppe gehört (Kimura & Sekido, 1975; Delevoryas & Hope, 1976). Für eine genauere Bearbeitung ist die verfügbare Datenmenge, sprich gut erhaltene Fossilien, allerdings zu gering.II.2 "Zamiaceen i.w.S."
. Sie umfassen den Microzamia-Dioon-Clade (Microzamia und die rezenten Encephalarteae: Dioon, Encephalartos, Macrozamia und Lepidozamia), den Zamia-Clade (= Zamioideae mit Ceratozamia, Microcycas, Zamia und Chigua) und den Stangeria-Clade (= Stangeriaceae mit Stangeria, Bowenia), wobei die letzteren zwei bei der erweiterten morphologischen Analyse (AM) ein Monophylum bilden, während molekularbiologische Daten (GM) eher Encephalarteae und Zamioideae als näher verwandte Gruppen ergeben (= rezenten Systematik ð Fam. Zamiaceae). Von den Nilssoniaceen unterscheiden sie sich durch einen geschlossenen weiblichen Strobilus. Klar voneinander trennen lassen sich drei Monophyla:II.2a Microzamia-Dioon-Clade
. Charakteristische Merkmale sind die parallelnervigen, nach unten umlaufenden Fiedern, die rhombischen bis (sub)triangularen Megasporophyllschilde, der von Kataphyllen bedeckte Strobilusstiel und möglicherweise die charakteristisch aufgebaute Pollensexine (Dioon-Typus). Nach der kladistischen Analyse zählen hierzu Dioon, Encephalartos, Macrozamia, Microzamia und Lepidozamia. Genetisch relativ undifferenziert, repräsentieren sie womöglich mit die ältesten Zamiaceen, sofern man bestimmte Stammfossilien und Blattypen mit berücksichtigt. Bereits in der Trias Südamerikas (zu dieser Zeit Bestandteil der Subtropen Pangäas) finden sich erste Stammfossilien, die in einigen charakteristischen Merkmalen mit rezenten Stämmen der Gattungen Dioon und Encephalartos übereinstimmen. Blätter mit nach unten umlaufenden Fiedern sind unter dem Formgenus Pseudoctenis ebenfalls seit der Trias beschrieben und zeigen z.T. auffällige kutikuläre Übereinstimmung mit rezenten Taxa. Bereits ab der Kreide finden sich Fossilien, die zu den untersuchten Gattungen gezählt werden, verteilt über alle Kontinente. Daraus erklärt sich auch das Vorkommen der rezenten Gattungen: Dioon in Mittelamerika, Encephalartos in Afrika, Macrozamia und Lepidozamia in Australien. Daß sich Dioon genetisch gesehen als eigenständiger Ast ergibt, spricht für eine frühe Trennung zwischen Dioon auf der einen und den Encephalarteae auf der anderen Seite. Vor dem Hintergrund der paläogeographischen und stratigraphischen Verbreitung, den morphologischen Charakteristika der verschiedenen Gattungen und den molekularbiologischen Daten, erscheint es plausibel, Macrozamia und Lepidozamia als geologisch junge Abspaltungen von Encephalartos anzunehmen, wie vielfach vermutet worden ist.II.2b. Stangeria-Clade
. Morphologisch gesehen gibt es kaum Zweifel daran, daß Bowenia und Stangeria (ð Fam. Stangeriaceae) trotz einiger Unterschiede nah verwandte Gattungen sind. Beide zeigen einen einzigartigen Typ von Wedelblättern, ihre Stipulae sind vaskularisiert und bei beiden Gattungen liegen die Samenanlagen an der Unterseite des Sporophyllstiels. Die genetische Analyse legt nahe, daß der morphologisch begründete Zamia- Stangeria-Clade auf konvergente Entwicklung zurückzuführen ist und die Trennung Stangerias von den restlichen Zamiaceen i.w.S. sehr früh erfolgte. Der Fossilbefund der Stangeriaceen ist allerdings extrem dürftig und läßt kaum Rückschlüsse zu . Daß Stangeria und Bowenia rezent ausgerechnet in Südafrika und Australien vorkommen, bedeutet allerdings, daß beide Gattungen mindestens seit der Oberkreide voneinander getrennt sind und mögliche Vorläufer (wie z.B. Antarcticycas) typischerweise in Südgondwana bzw. Südostpangäa beheimatet waren.II.2c Zamia-Clade
. Durch zahlreiche Untersuchungen (morphologisch, physiologisch, karyologisch, genetisch) gut definiertes Monophylum. Entsprechend der rezenten Systematik zählen dazu Ceratozamia, Chigua, Microcycas und Zamia. Charakteristische Merkmale sind der Bau und die Anatomie der G und E Sporophylle und Strobili, das Vorhandensein von nicht vaskularisierten Stipulae und die artikulat ansitzenden Fiedern. Morphologisch und stratigraphisch gesehen die "modernsten" Cycadeen (älteste Blätter aus dem Paläozän), zeigen sie die höchste genetische und, im Fall der Gattung Zamia, auch ökologische Variabilität unter den rezenten Cycadeen. Das Fehlen der für den Zamia-Clade charakteristischen Merkmalen bei allen bisher beschriebenen mesozoischen Formen und die relativ hohe Anpassungsfähigkeit der Gattung Zamia, legt den Schluß nahe, daß es sich bei diesem Clade tatsächlich um eine späte Linie der Cycadeen handelt. Hervorgegangen sind sie entweder aus dem Stangeria-Clade (= AM), dem Microzamia-Dioon-Clade (= GM) oder aus den Nilssoniaceen (= Hill, 1987).Die in dieser Arbeit gesammelten Daten machen deutlich, daß weitere Untersuchungen und Fossilfunde nötig sind, um die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Zamiaceen i.w.S. aufzuklären. Dabei kann sich auch die Stellung einzelner Gruppen in Bezug zu den Nilssoniaceen ändern (= Abb. 4-2).
II.3 Androstrobus prisma Komplex
. Eine genaue Einteilung dieser eigentümlichen jurassischen Art ist bei den vorliegenden Daten nicht möglich. Denkbar ist sowohl, daß es sich um eine eigene Seitenlinie zum Nilsonia-Zamia-Clade handelt (= AM) oder einen "primitiven" Seitenast des Microzamia-Dioon-Clades (Blattmorphologie, Pollenmorphologie). Möglich ist auch eine Verbindung mit Leptocycas gracilis.III. Paläozoische Formen
. Sollte es sich bei Archaeocycas, Lesleya, Sobernheimia, Spermopteris und Phasmatocycas tatsächlich um "echte" Cycadeen handeln (= Def. R. Florins) sind es entweder eigenständige Entwicklungslinien oder entfernte Vorfahren der Cycadaceen und/oder des Nilsonia-Zamia-Clades. Die Reihe Spermopteris Õ Sobernheimia Õ Phasmatocycas repräsentiert möglicherweise die Entstehung des Grundtyps des Cycadeenmakrosporophylls. Daß aber Phasmatocycas (Old-Red) und Crossozamia (Cathaysia) im Unterperm auf zwei getrennten Kontinenten vorkommen, kann als Zeichen einer frühen Zweiteilung der Cycadeen gesehen werden (Cycadaceen Ö Nilsonia-Zamia-Clade), die bereits im Oberkarbon vollzogen war.Im Rahmen dieser Diplomarbeit konnte gezeigt werden, daß eine Erweiterung der rezenten Systematik auf fossile Formen möglich ist und bei der Aufdeckung phylogenetischer Zusammenhänge nicht außer acht gelassen werden darf. Durch den Vergleich mit molekulargenetischen Daten können Teile der Systematik verifiziert oder hinterfragt werden, ohne letztlich eine Aussage darüber zu treffen, welcher Datensatz der "richtigere" ist. Es erscheint möglich, die Plausibilität morphologischer Synapomorphien zu überprüfen und damit eine Aussage über deren "Härte" als tatsächliche Apomorphien zu treffen und zufällige Konvergenzen auszuschließen. Ferner liefert der genetische Stammbaum die Möglichkeit, intergenerische Variation und Variabilität zu erfassen. Auf diese Weise erhält man aus dem rezenten Zustand eine qualitative Aussage über die Geschwindigkeit evolutiver Veränderungen. Die computergestützte Kladistik ist das am besten geeignete Werkzeug, um möglichst objektiv derartige Datenmengen zu bündeln. Aus der Kombination mit weiteren Datensätzen (Biogeographie, Stratigraphie, Klima etc.) ergibt sich letztlich die Möglichkeit, eine - abhängig von der Menge der Einzeldaten und Datensätze - mehr oder weniger gute Hypothese über die Phylogenie einer bestimmten Gruppe aufzustellen (Õ Abb. 6.1). Dies ist - mit Einschränkung - auch dann möglich, wenn die einzelnen Datensätze - wie bei den hier besprochenen Cycadeen - lückenhaft sind.