Bei der Untersuchung kann es nur um eine vorläufige Abschätzung der sich bietenden Möglichkeiten gehen. Der Fossilbefund der Cycadeen ist extrem lückenhaft, sowohl aus stratigraphischer als auch aus phylogenetischer Sicht, was die kladistische Analyse erschwert. Selten sind bei fossilen Gattungskomplexen alle Organe überliefert; mit ihnen zu assoziierende Stämme fehlen nahezu völlig. Zum Aufstellen einer "sicheren" Systematik fehlen besonders die G Reproduktionsorgane bei paläozoischen, triassischen und kretazischen Formen, die möglicherweise bessere Auflösung der Verwandtschaftsbeziehungen ergeben würden. Darüber hinaus ist die Zuordnung isolierter Organe zu ein und derselben Pflanze schwierig, wenn nicht sogar teilweise unmöglich. Als sicheres Indiz für eine Zuordnung gilt die Morphologie und Anatomie der Kutikula, (Florin, 1933a, 1933b; Harris, 1941/46; Thomas & Harris, 1960) und die damit zusammenhängenden epidermalen Strukturen (z.B. Spaltapparate, Trichome etc.). Diese ist allerdings bei den Cycadeen filigran (verschiedene Autoren), im Gegensatz zu anderen Spermatophyten (wie z.B. der oberflächlich ähnlichen Gruppe der Cycadeoidales). Daraus folgt, daß sie nur unter besonderen Bedingungen erhaltungsfähig ist und eine Präparation häufig schwierig ist. Gut überlieferte Funde sind daher sehr selten und somit nur schwer für weiterführende Untersuchungen zugänglich. In der Literatur beschriebene Funde beinhalten das Problem, daß die Beschreibung aller gefundenen Organe selten umfassend ist und teilweise unter dem Eindruck eines vorgefertigten Modells für den entsprechenden Artikel gekürzt wurde. Dies gilt insbesondere für die paläozoischen Taxa. Ebenso gab (und gibt) es keine einheitliche Nomenklatur bei der Beschreibung fossiler und rezenter Formen (z.B. Problem der 'resin bodies' und 'glands'). Zahlreiche Merkmale (z.B. Feinanatomie der Kutikula, Bau der Pollenwand, Blattnervatur) sowohl rezenter als auch fossiler Arten sind nur für einen Teil der Cycadeen beschrieben worden (z.B. Pollenanatomie, Bau der Spaltöffnungen, Seitenveneation). Untersuchungen über intraspezifische oder intragenerische Variabilität stehen vielfach noch aus. Je ungenauer allerdings die rezenten Gattungen beschrieben sind, desto schwieriger und problematischer ist eine Zuordnung fossiler Funde. Das Problem der Variabilität gilt im Besonderen auch bei der Bewertung der verwendeten DNA-Sequenzen. Zamia zeigt z.B. eine hohe karyologische Variation, die auch innerhalb einer Art auftreten kann (Caputo et al., 1996). Solch eine "makrogenetische" Variation findet ihre Korrespondenz möglicherweise auch in den molekularbiologischen Daten. Folgende Fragen müssen zur Signifikanz der benutzten 26S-rDNA Teilsequenz aufgeworfen werden:
Ä 1. Ist der Grad der Konservierung hoch genug, um ein "Rauschen" durch nicht charakteristische Mutationen bzw. zufällige Konvergenzen und Rückmutationen zu verhindern?
Ä 2. Ist die Variabilität ausreichend, um einen auf Gattungs- und Familienebene signifikanten Unterschied zu erhalten?
Ä 3. Ist die Mutationsrate für den untersuchten Bereich bei allen verwendeten Arten nahezu konstant?
Um eine bindende Antwort auf diese Fragen zu finden, müßten letztlich viel mehr verschiedene Arten auf ihre inter- und intragenerische Variation untersucht werden, als die wenigen, die in dieser Diplomarbeit untersucht wurden. Außerdem sollten auch andere Teile des Genoms untersucht werden, die möglicherweise besser zur Aufdeckung systematischer Zusammenhänge oberhalb der Gattungsebene geeignet sind. Die Ergebnisse der Branch-and-Bound Analyse ausgewählter Taxa (Kap. 4.2.4, Abb. 4-10 , Abb. 4-11, Abb. 4-12, Abb. 4-13 ) können ein Hinweis auf höhere genetische Variabilität innerhalb der Zamioideae sein. Möglich ist aber auch, daß die Mutationsrate bestimmter Zamioideae (Zamia furfuracea, Z. pumila, Ceratozamia mexicana) höher als die anderer Cycadeen ist und deswegen das Ergebnis verfälscht wird.
Bei Aufstellung der Datenmatrix verzichtete ich aus verschiedene Gründen auf eine Reihe von Merkmalen (vgl. Kap. 3.2.1). Hinzu kommen solche, die nur schlecht oder lückenhaft in der Literatur beschrieben worden sind und im Detail genauer untersucht werden müßten. Zu diesen Merkmalen zählen v.a. kutikuläre Merkmale wie Bau, Anordnung und Orientierung der Spaltöffnungen (Õ Tab. 5-1). Bestimmte Merkmale wie z.B. der Grad der Kutinisierung der Nebenzellen und die Anatomie der Spaltöffnungen werden herangezogen, wenn es darum geht, bestimmte fossile Blätter rezenten Gattungen zuzuordnen wie z.B. bei Lepidozamia hopeites (Cookson, 1953), Eostangeria saxonica (Barthel, 1976) und eine mögliche Dioon sp. aus dem frz. Cenoman (Berthelin & Pons, 1999). Für systematische Untersuchungen oberhalb der Gattungsebene scheinen solche Strukturen jedoch weniger geeignet (Pant & Nautiyal, 1963). Andere Merkmale der Kutikula bestätigen jedoch die Verwandtschaftsgruppen der Encephalarteae und Zamioideae (Pant & Nautiyal, 1963; Mickle et al., 1999), sind aber aufgrund der schlechten Erhaltung der meisten fossilen Taxa für diese nicht speziell beschrieben worden und ihre systematische Aussagefähigkeit ist umstritten (Pant, 1987; Crane, 1988; Stevenson, 1990b). So zeigt Pseudoctenis lanei - ähnlich anderer Pseudoctenis spp. - die meisten Übereinstimmungen mit dem rezenten Blattypus der Encephalartoideae (Carpentier, 1938; Óishi, 1939/40; Kimura & Tsujii, 1983; Kimura et al., 1990; Hill et al., 1992; Archangelsky et al., 1995). Je nach Erhaltungszustand wäre es schwierig, Blätter der Gattung Dioon von denen Pseudoctenis´ anhand von oberflächlichen morphologischen Merkmalen auseinanderzuhalten. Eine detaillierte Berücksichtigung dieser Merkmale würde entsprechend auch Androstrobus prisma näher zu dem Microzamia-Dioon-Clade stellen, eventuell sogar als ein Monophylum. Solch eine Zuordnung erscheint aber vor dem Hintergrund der Morphologie des E Strobilus und der E Sporophylle anfechtbar (Hill, 1987); hier fehlen wichtige den Zamiaceen i.w.S. und Nilssoniaceen gemeinsame Merkmale. Auch zeigen viele Blattmerkmale im Vergleich aller verwendeten Taxa (bisher) nur geringe systematische Signifikanz (geringe CI Werte, Õ Abb. 5-2).
Höhere systematische Signifikanz - u.a. weil besser erkennbar und erhaltungsfähig - zeigen dagegen Merkmale, die mit dem Stamm zusammenhängen (Õ Anhang B, vgl. auch Kap. 1). Die Stämme der Cycadeen sind innerhalb der Kormophyten aufgrund bestimmter Merkmale einzigartig. Darüber hinaus gilt, daß nahezu alle Merkmale eine hohe Gattungskonstanz aufweisen (Worsdell, 1901; Greguss, 1968; Crane, 1988; Stevenson, 1990b; Norstog & Nicholls, 1997). Selbst im Fossilen findet man nur wenige anatomische Übereinstimmungen mit anderen Gruppen (Pant, 1987; Stewart & Rothwell, 1994; Norstog & Nicholls, 1997). Von drei beschriebenen Taxa - Charmorgia, Leptocycas, Nilssoniocladus - sind die mutmaßlichen Trophophylle - Aricycas, Pseudoctenis lanei, Nilsonia spp. - bekannt, bei Leptocycas auch der G Strobilus, wenn auch nur sehr schlecht erhalten. Abgesehen von den bekannten Problemen (Õ Kap. 5.1.1), kommt hier als zusätzliche Komplikation die offensichtlich andere Wuchsform dazu: leptokaul statt pachykaul (Delevoryas & Hope, 1971, 1976; Kimura & Sekido, 1975). Mögliche Folge können besondere anatomische Anpassungen sein, wie z.B. Modifikationen beim Bau des Xylems. Einige rezente und auch fossile Cycadeen besitzen extrafaszikuläre Leitbündel und ein zentripetales sekundäres Dickenwachstum. Analoge Strukturen findet man bei rezenten Pflanzen, die als Lianen auftreten. Daß eine genauere Untersuchung der Stammerkmale mögliche Synapomorphien mit rezenten Gruppen bereithalten kann, zeigt die jüngste Untersuchung von tertiären bzw. triassischen Stammfossilien aus Südamerika (Artabe & Stevenson, 1999). Eine endgültige Systematik fossiler und rezenter Taxa sollte daher auch Stammerkmale beinhalten, sofern die Assoziation von Stamm, reproduktiven Organen und Beblätterung bewerkstelligt werden kann.
Die Wahl einer geeigneten Außengruppe gestaltet sich aus mehreren Gründen problematisch:
Unter den rezenten Gymnospermen finden sich - wenn überhaupt - nur entfernt verwandte Arten (Crane, 1985; Doyle & Donaghue, 1986; Norstog & Nicholls, 1997). Ginkgo biloba erscheint aufgrund Gemeinsamkeiten bei der Reproduktion als der nächste noch rezent existierende Verwandte der Cycadeen (Befruchtung mittels motiler, begeißelter Spermatocycten). Das manoxyle Holz, das Fehlen von Tüpfeltracheiden bei Zamia und Stangeria und der Bau der Blätter stehen dem gegenüber. Das Vorhandensein von Tracheen mit Siebplatten im Xylem der Fiedern von Zamia furfuracea (Huang et al., 1999) deutet wiederum eine mögliche Verbindung zu den Anaspermae an.
Unter den ausgestorbenen Vertretern der Samenpflanzen ist die Suche genauso schwierig. Die kladistische Analyse von Doyle und Donaghue zeigt deutlich die Problematik bei der Stellung der Cycadales (Doyle & Donaghue, 1986). Je nachdem welche(s) Merkmal(e) als plesiomorph oder apomorph angenommen wird/werden, werden die Cycadales mal zu den Medullosen gestellt (als frühe Schwestergruppen der Anaspermae und Cycadeoidales oder der Coniferopsida), mal zu kleineren Gruppen wie Peltaspermum und den triassischen Corystospermaceae (als Abspaltung der "höheren" Samenpflanzen). Andere kladistische Analysen (z.B. Crane, 1985) entsprechen diesem Bild. Jüngste Untersuchungen an den Stämmen fossiler Cycadeen in Südamerika (Artabe & Stevenson, 1999) und kretazischen Blättern (Berthelin & Pons. 1999) weisen wiederum auf Synapomorphien mit den Cycadeoidales hin, die nach der gängigen kladistischen, paläobotanischen Sicht, als weit von den Cycadeen entfernte Gruppe angesehen werden (Crane, 1985; Doyle & Donaghue, 1986; Stewart & Rothwell, 1994).
Es fehlen gesicherte direkte Vorläufer oder eine mögliche Stammgruppe. Selbst wenn man Spermopteris und Archaeocycas als frühe Cycadeen anerkennt (Mamay, 1969, 1976; Beck, 1988; Norstog & Nicholls, 1997), bleibt das Problem, inwieweit sich diese Taxa von "primitiven" Samenfarnen ableiten lassen (Delevoryas. 1968) und ob es sich um Vorläufer oder Seitenäste der moderneren Cycadeen handelt. T. Delevoryas führt als mögliche Vorläufer Eremopteris zamioides, Tinsleya texana und Pteronilssonia gopalii an (Delevoryas 1982). Demzufolge wären platysperme Samen, gefiederte Blätter und parallele einfache bis einmalig gegabelte Seitenvenen symplesiomorphe Merkmale der Cycadeen. S. Mamay führt an, daß die ältesten Cycadeen ausschließlich taeniopteride ungefiederte Beblätterung aufweisen (Mamay, 1976); nach P. Crane u.a. gehören die Cycadeen zu den ursprünglichen "Radiospermen" (Crane, 1985; Stevenson, 1990b etc.). Es läßt sich also nur schwer ausmachen, ob ein bestimmter Merkmalszustand, wie das Vorkommen platyspermer Samen, bestimmte Charakteristika der Seitenveneation oder das Vorhandensein gefiederter Blätter, innerhalb der Stammesgeschichte der Cycadeen entwickelt wurden, oder von Anfang an vorhanden waren.
Abbildung 5-3 zeigt einen alternativen "besten Baum", der unter der Voraussetzung generiert wurde, daß der hypothetische Cycadeenurahn ("firstcycad", Õ Anhang C) gefiederte Trophophylle mit einfachen parallelen Seitenvenen besaß: [2.19] ð "b", [2.23] ð "a". Die "einfachen" Sporophylle sind bereits um eine zentrale Achse angeordnet: [2.8] ð "+", [2.9] ð "+" und [2.5] ð "a". Die Samen waren radiosperm (Ö Cycas, Crossozamia) und saßen in einer nicht näher definierten Art direkt an der Sporophyllachse an: [2.18] ð "-", [2.15] ð "+". Die Trophosporophylle Archaeocycas, Spermopteris und Lesleya werden als Schwestertaxa der Cycadales angenommen und nicht berücksichtigt. Ebenso nicht in der Analyse inbegriffen die Gattung Phasmatocycas, da der kutikuläre Beweis noch aussteht, daß es sich um eine echten Cycadee - im Sinne R. Florins (Florin, 1933b) - handelt.
5.2 Interpretation der Ergebnisse aus den kladistischen Analysen
5.2.1 Vergleich der "besten Bäume" von SOM und AM
Gleich ist die Zweiteilung der Cycadeen in die Cycadineae, bzw. die mit Cycas verwandte Arten (Cycas, Crossozamia, möglicherweise Bjuvia), und die, mehr oder weniger nah mit Zamia verwandten, Zamiineae (Nilssoniaceen, Zamiaceen i.w.S., möglicherweise Androstrobus prisma). Als fossile Seitengruppen oder Vorläufer kommen Archaeocycas, Spermopteris und Phasmatocycas dazu. Zahlreiche Stevensonschen Synapomorphien finden sich auch im "besten Baum" der modifizierten Matrix AM - [2.5], [2.6], [2.9], [2.10], [2.12], [2.13], [2.16], [2.21], [2.27], [2.28] - andere wie z.B. das Vorkommen adaxialer Samenanlagen (s.u.) werden zu Symplesiomorphien verschiedener Gruppen. Auffälligster Unterschied ist die Lage der Encephalartoideae in Bezug zu den Zamioideae. Bei Stevenson bilden diese zwei Unterfamilien die Familie der Zamiaceae, charakterisiert durch "gerade" Ptyxis - [1.16]/[2.29] - und das Fehlen einer Mittelrippe - [1.19]/[2.21]. Als zusätzliche Synapomorphie kann noch das Vorhandensein adaxialer Samenanlagen angeführt werden (Stevenson, 1992; Hill & Stevenson, 1998). Akzeptiert man das Fehlen eingerollter juveniler Fiedern ( = "gerade" Ptyxis) bei Nilssoniocladus und anderen gefiederten Nilsonia-Blättern als tatsächlichen Zustand (vgl. Kap. 5.1.1), so handelt es sich um ein gemeinsames Merkmal - Symplesiomorphie oder Konvergenz - der Nilssoniaceen, des Microzamia-Dioon-Clades und der Zamioideae. Die eingerollten Fiedern juveniler Cycadaceen und Stangeriaceen sind folglich rudimentär, sofern die ersten gefiederten Cycadeen eingerollte Fiedern hatten; oder abgeleitet, d.h. die ersten gefiederten Cycadeen zeigten "gerade" Ptyxis. Das Fehlen einer Mittelrippe ist allem Anschein nach ebenfalls plesiomorph: Die ältesten bekannten möglichen Cycadeen wie z.B. Spermopteris, Phasmatocycas und diverse taeniopteride Blattgenera (s. z.B. Sellards, 1906; Jongmans, 1954; Remy & Remy, 1975b; Stewart & Rothwell, 1993; Melchor & Cesari, 1997) stimmen darin überein, daß ihre Seitenvenen gleichförmig sind und nur kleine Durchmesser besitzen. Auch im Mesozoikum sind nur wenige Blattypen bekannt, bei denen dicke, breit auseinanderstehende Venen dominieren (bestimmte Nilsonia spp. aus Bjuv, Schweden) oder bestimmte Venen gegenüber den restlichen hervortreten (einige Funde von N. schaumburgensis, Wilde, pers. Komm.). Die anatomische Untersuchung der Mittelrippen rezenter Cycadeen unterstützt die These einer konvergenten Entwicklung. Die Alternative eines Zamia- Stangeria-Clades (= Kap. 4.1.3) beruht ausschließlich auf der oberflächlichen Ähnlichkeit bestimmter Merkmale der E Reproduktionsorgane (Form der Schilde, Anordnung um Strobilusachse). Ob diese Konvergenzen oder "harte" Synapomorphien repräsentieren, kann erst durch mesozoische Funde möglicher Zamioideae und Stangeriaceae oder deren direkte Vorläufer entschieden werden. Älteste Funde nah verwandter Arten bzw. Gattungen wie Eostangeria saxonica (Barthel, 1976), diverse Bowenia spp., Ceratozamia spp. und Zamia spp. (zitiert in Horiuchi & Kimura, 1987), beschränken sich bisher allerdings auf das Tertiär (Eozän/Miozän). Hierbei handelt es sich ausschließlich um isolierte Blattfragmente und/oder Fiedern.
Die Annahme der rezenten Systematik als 'morphological constraint' bei der Analyse von AM ergibt Kladogramme, die je nach Stellung von Microzamia, Nilssoniocladus und den BAN-Komplexen um drei bis sechs Schritte länger sind als das bestmögliche Kladogramm ohne 'constraint' (Õ Anhang B; vgl. Kap. 4.1.1). Gegenüber dem bestmöglichen Baum ergeben sich nur wenige Veränderungen in der MPR (£ 8). Davon betroffene Apomorphien des bestmöglichen Baumes (vgl. auch Kap. 4.1.2) lassen sich aus Tabelle 5-4 entnehmen.
5.2.2 Vergleich zwischen den auf morphologischen und den auf molekularen Daten basierenden Kladogrammen (Abb. 4-1, Abb. 4-9A)
Die Übereinstimmung ist weitaus geringer. Gemeinsam ist die deutliche Abtrennung der Gattung Cycas von den restlichen Cycadeen, die sich auch bei anderen DNA Studien (zitiert in Hill & Stevenson, 1998) beobachten läßt. Im Gegensatz zum morphologisch gut definierten (Microzamia-)Dioon-Clade bildet Dioon genetisch gesehen eine ähnlich ferne Gruppe zu den restlichen Zamiaceen (Encephalartoideae und Zamioideae) wie Cycas und Stangeria. Solch eine Diskrepanz kann verschiedene Ursachen haben. Die erste mögliche Annahme ist, daß die molekularbiologischen Daten die realen Verwandtschaftsverhältnisse besser widerspiegeln als die morphologischen. Morphologische Übereinstimmungen (Apomorphien und Symplesiomorphien) sind dann Folge konvergenter Entwicklungen. Für das Beispiel Dioon würde das bedeuten, daß das Vorhandensein von Kataphyllen am Strobilusstiel - [1.20/2.6] - eine konvergente Entwicklung der Encephalarteae und der Diooeae darstellt. Gleiches gilt für den ähnlichen Aufbau der Pollensexine ([2.35]: keine durchgehende Collumellae, vgl. Abb. 4-6) und die in charakteristischer Weise anastomisierenden Seitenvenen - Merkmal [2.24]. Für die Bewertung der fossilen Form Microzamia, daß sie nicht mehr unbedingt mit den Encephalartoideae zusammengefaßt werden kann (vgl. auch Kap. 4.1.3). Demgegenüber steht, daß sowohl physiologische und anatomische als auch karyologische Untersuchungen die Zugehörigkeit Dioons zu der selben Verwandtschaftsgruppe wie Encephalartos, Macrozamia und Lepidozamia bestätigen bzw. diese Gattung von den anderen Neuweltcycadeen abgetrennt werden muß (Õ Kap. 5.3.3). Besonders die Feinstruktur der Pollen scheint große systematische Relevanz zu haben (Audran & Masure, 1976, 1977; Read & Stolt, 1986; Deghan & Deghan, 1988; Norstog & Nicholls, 1997). Die zweite mögliche Annahme geht von der Signifikanz der morphologischen Merkmale als gute Apomorphien aus. Für die Interpretation der molekularen Daten muß dann angenommen werden, daß Unvereinbarkeiten in der "Güte" des DNA-Stücks begründet sind. Möglicherweise ist es zu variabel oder zu konservativ, um eine gute kladistische Auflösung zu bekommen. (vgl. dazu Abb. 5-5 und Abb. 5-6). Bei allen noch lebenden Cycadeen handelt es sich um relativ kleine Restpopulationen, die zum einen in ihrem Genpool verarmt sein können und zum anderen seit u.U. mehreren Millionen Jahren voneinander isoliert sind. Beides könnte dazu führen, daß bestimmte, evolutiv neutrale Mutationen ( = Def. von Kimura, 1983) eine Streuung erzeugen, die tatsächliche verwandtschaftliche Beziehungen verschleiert. Dies griffe insbesondere dann, wenn eine essentiell wichtige DNA-Region, wie die 26S-rDNA betroffen ist, die Mutationen nur in für die Funktion wenig bedeutenden Regionen zuläßt. Hinzu kommt das Fehlen von Untersuchungen über die Variation der Evolutionsgeschwindigkeiten und die Anpassungsraten innerhalb der Cycadeen (s.a. Kap. 5.1.1).
Der Detailvergleich der Sequenzen (Õ Kap. 4.2.3) macht deutlich, daß die größte Streuung innerhalb der Zamioideae (repräsentiert durch Ceratozamia mexicana, Microcycas calocoma, Zamia furfuracea und Z. pumila) auftaucht. Zu den Encephalarteae gehörende Taxa (Encephalartos spp., Macrozamia spp., Lepidozamia peroffskyana ) scheinen weniger Variation zu zeigen (Õ Abb. 5-7). Es bieten sich - sofern die Daten signifikant sind - zwei Interpretationsmöglichkeiten: 1., die Zamioideae (besonders Ceratozamia und Zamia) zeigen eine höhere Mutationsrate als die Encephalarteae; 2., die Zamioideae haben sich erdgeschichtlich früher als die Encephalarteae in die verschiedenen Gattungen aufgespalten. Der plattentektonische und stratigraphische Hintergrund (Õ Kap. 5.3.1), sowie die morphologisch kladistische Analyse (Õ Kap. 4.1 ; Crane, 1988; Stevenson, 1990b), favorisieren die erste Interpretation.
5.3 Konsistenz mit zusätzlichen Daten
5.3.1 Stratigraphische und (paläo)biogeographische Situation
( Õ Abb. 5-8)Verbreitung im Paläophytikum
Die möglichen Cycadeen Archaeocycas, Phasmatocycas und Spermopteris beschränken sich bis dato auf vereinzelte Funde aus dem Oberkarbon bzw. Unterperm von Kansas bis Nordtexas, zu dieser Zeit der Westrand des Old-Red-Kontinents . Möglicherweise im selben Kontext steht Sobernheimia jonkeri, ein mögliches Cycadeenmegasporophyll aus dem Gebiet der Nahe (Waderner Gruppe, beschrieben von Kerp, 1983). Demgegenüber findet sich Lesleya sowohl im Oberkarbon bzw. Unterperm Nordamerikas als auch im Namur bis Autun der variszischen Kohlenbecken Europas (Remy & Remy, 1975a; Leary, 1990). Crossozamia beschränkt sich im Unterperm typischerweise auf China (cathaysische Florenprovinz).
Die Hochzeit der Cycadeen, das Mesophytikum
Aus dem Oberperm sind keine Cycadeenfunde bekannt. Bereits ab der Untertrias aber finden sich mögliche Cycadeen auch in den ehemaligen, zu Gondwana gezählten, Südkontinenten Pangäas. Dazu zählen Mesodescolea, Michelliloa in Argentinien (Archangelsky & Brett, 1963; Archangelsky & Petriella, 1971; Artabe & Stevenson, 1999) und Antarcticycas im Transantarktischen Gebirge (Smoot et al., 1985). Weitere Cycadeen finden sich im gesamten Gebiet der tropisch-subtropischen euamerischen Florenprovinz: in Nordamerika Aricycas (Ash, 1991), Charmorgia (Ash, 1985), Leptocycas (North Carolina, Delevoryas & Hope, 1971) und Lyssoxylon (Arizona, Daugherty, 1941), in Europa Bjuvia (Schweden, Florin, 1933b) und in Asien Glandulataenia (Pant, 1990) und möglicherweise eine weitere Lyssoxylon-Art (Indochina, Vozenin-Serra, 1979). Zum Formgenus Pseudoctenis gehörende Blätter sind zu dieser Zeit bereits fast weltweit verbreitet. Im Laufe des Jura und der Unterkreide waren die Cycadeen eine quasi kosmopolitische Pflanzengruppe. Gängige, zu den Cycadeen gestellte Blattgeni, wie Ctenis, Nilsonia, Pseudoctenis u.a. finden sich nahezu weltweit. Besonders reiche Fundstellen sind der Lias von Yorkshire und die "Wealden"-Schichten der Kreide. Neben Strobili und Sporophyllen der Gattungen Androstrobus, Beania und Cycadospadix finden sich gerade in Europa Blattypen, die morphologisch und z.T. auch anatomisch hohe Ähnlichkeit mit Cycas aufweisen (Paracycas mit gut erhaltener Kutikula, Cycadites mit schlecht oder nicht erhaltener Kutikula; Def. Õ Pant, 1987). Almargemia dentata (Florin, 1933b) aus Portugal und Encephalartos cretaceous (Lesquereux, 1892) aus der Kreide Dakotas repräsentieren die Linie der Zamiaceen i.w.S.. Funde von Nilssoniocladus - und damit assoziierten Nilsonia spp. - in Alaska und Sibirien bzw. Microzamia paututensis in Grönland (Spicer & Herman, 1996 u.a. bzw. Boyd, 1992) beweisen ein Vorkommen bis zu hohen Paläolatituden (£ 75° n.Br.). Aus dieser Zeit stammen auch die am besten erhaltenen Sporophylle und Strobili der Gattungen Androstrobus, Beania und Cycadospadix.
Entwicklung im Neophytikum
Wohl durch Konkurrenz zu den Angiospermen, denen sie in Reproduktion, Wachstum und Verbreitung physiologisch unterlegen sind, scheinen sich die Cycadeen seit der Oberkreide im Rückzug zu befinden. Das zeigt sich zum einen in der geographisch weiteren Verbreitung rezenter Gattungen im Alttertiär gegenüber dem Holozän (Õ Anhang B), zum anderen in der rezenten Beschränkung auf zahlreiche kleinräumige Reliktareale, in denen sie nur selten in direkter Konkurrenz zu den Angiospermen stehen (vgl. auch Kap. 5.3.2). Mindestens bis zum Alttertiär finden sich Fossilien, die keiner rezenten Gattung zugeordnet werden (Bororea, Menucoa aus Argentinien; Eostangeria aus Deutschland und Dioonopsis nipponica aus Japan), auch wenn sie rezenten Gattungen verwandtschaftlich sehr nahe stehen (Horiuchi & Kimura, 1987; Pant, 1987; Artabe & Stevenson, 1999). Nur rezent bekannt sind Chigua, Stangeria und Microcycas, alle anderen rezenten Gattungen lassen sich anhand von Blattfossilien bis ins Alttertiär zurückverfolgen (Encephalartos bis zur Kreide, s.o.).
Rezente Cycadeen haben den Ruf, typischerweise in semiariden Gebieten vorzukommen. Dabei darf nicht vergessen werden, daß nicht wenige Arten auch in den tropischen Regenwäldern Mittel- und Südamerikas und in den Monsunwäldern Indochinas beheimatet sind. In Gebieten also, in denen jährliche Niederschlagsmittel von ³ 2000 mm/a keine Seltenheit sind und ausgedehnte Dürreperioden (im Falle der tropischen Regenwälder) fehlen. Eine Art, Zamia roezlii, kommt sogar in den Mangrovensümpfen Ecuadors vor. Diverse Macrozamia spp. haben sich auf Biotope mit häufigem Stauwasser spezialisiert. Daß bis dato die überwiegende Mehrzahl der fossilen Cycadeenfunde aus feuchtwarmen Lebensräumen stammt, ist möglicherweise ein taphonomisches Artefakt und spiegelt nicht unbedingt die tatsächliche palökologische Situation wider. So ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, daß an semiaride, wasserarme Standorte angepaßte Cycadeen in-situ fossilisiert wurden. An feuchten, wasserreichen Standorten vorkommende Cycadeen, wie diverse Gattungen und Arten aus dem Jura und der Kreide sind hingegen aufgrund optimaler Erhaltungsbedingungen gut repräsentiert.
Die in vielen Lehrbüchern vorhandenen Rekonstruktionen von Cycadeen als dominierende Pflanze halbwüstenähnlicher Biotope der Trias, beruhen auf vereinzelten Funden und folgen einer aktuoökologischen Extrapolation. So finden sich in zahlreichen Abbildungen baumförmige Bjuvia. Dabei ist zu beachten, daß es keinerlei Stammfossilien von Bjuvia gibt, die Florinsche Rekonstruktion eines Baumes also rein interpretativ war (s. dazu Florin, 1933; Thomas & Harris, 1961; Pant, 1987) und Bjuvia selbst bisher nur von einer einzigen Fundstelle in Schweden bekannt ist. Ähnliches gilt für die triassischen Stammfossilien.Gemeinsam ist allen von rezenten Cycadeen besiedelten Biotopen ein geringer Konkurrenzdruck. Steppenbewohnende Arten sind häufig arboreszent und nicht selten die einzigen vorhandenen Bäume im näheren Umkreis. In Waldgebieten vorkommende Cycadeen sind überwiegend geophil bzw. im unteren Stockwerk beheimatet, wo sie nur mit den stammesgeschichtlich gesehen noch älteren und "primitiveren" Farnen konkurrieren müssen. Typisch ist auch die Besetzung von sonst nahezu unbewohnten ökologischen Nischen (Schotterfelder, Karstklüfte, Wüste, Küstendünen), die sich durch extrem nährstoffarme Untergründe auszeichnen. Möglich wird dies durch die "koralloiden" Wurzeln der Cycadeen.
Rezente Cycadeen sind auf die Subtropen und Tropen beschränkt. Gleiches gilt vermutlich auch für die meisten fossilen Formen. Die deutlichen Abzisionsmarken der Nilssoniocladus-Triebe in Kombination mit dem, an bestimmten Fundorten konzentrierten Auftreten der entsprechenden Blattspezies (Nilsonia spp.), ist ein Hinweis auf periodischen Blattverlust. Dieser Umstand und die Kultivierung frei lebender, rezenter Cycadeen in einigen botanischen Gärten und Refugien (z.B. Cycas spp. im Naturpark Schönbuch) beweisen jedoch, daß Cycadeen durchaus auch in geschützten, gemäßigten Klimaten existiert haben oder existieren können. Ferner sind einige Arten in (sub)tropischen Höhenlagen oder von exponierten subtropischen Standorten bekannt, die eine relativ stark ausgeprägte Frosttoleranz aufweisen, so z.B. bestimmte Cycas spp. aus dem Nordwesten von New South Wales (Australien) und einige Encephalartos-Arten aus der Kapprovinz oder aus dem Transvaal (Republik Südafrika), von denen einige Populationen regelmäßigen Frosteinbrüchen ausgesetzt sind. Die "Reliktisierung" auf tropische und subtropische Biotope ließe sich auch klimatisch auf den verlorenen Wettbewerb mit den Angiospermen zurückzuführen. Ihr schnelleres Wachstum und effektivere Reproduktion kann klimatisch bedingte Verluste - so z.B. durch ungewöhnlich starke Fröste - leichter und vor allem schneller kompensieren.
Moderne Systematik (siehe z.B. Neuaufteilung des Pflanzenreichs durch M. Buchheim, B. Mischler, R. Chapman u.a.) beruht nicht nur auf der Kombination molekularbiologischer und morphologischer Daten, sondern beinhaltet auch physiologische und andere Datenquellen. Der Vollständigkeit halber wird hier eine Aufstellung verschiedener Untersuchungen zur Aufklärung phylogenetischer und systematischer Zusammenhänge rezenter Cycadeen gegeben.
Physiologie: Verschiedene Untersuchungen der Stoffwechselprodukte unterschiedlicher Cycadeen zeigen gewisse systematische Signifikanz. Die drei Stevensonschen Familien (Cycadaceae, Stangeriaceae und Zamiaceae) lassen sich anhand der Zusammensetzung ihrer Biflavonoide unterscheiden (Dossaji et al., 1975). Intergenerische Unterschiede lassen sich auch beim Zuckergehalt des Pflanzensafts erkennen (Stevenson & Siniscalco Gigliano, 1989). Der Gehalt an Cycasin und Macrozamin deutet eine nähere Verwandtschaft zwischen Bowenia und Stangeria an, als morphologische Untersuchungen vermuten lassen (Osborne, 1986), favorisiert somit die Stevensonsche kladistische Studie gegenüber früheren systematischen Arbeiten. Interessant in diesem Zusammenhang ist das Blattbildungsverhalten, das an verschiedenen Cycadeen im Fairchild Tropical Garden untersucht worden ist (Stevenson, 1981, Õ Anhang B). Bowenia und Stangeria zeigen beide eine unregelmäßige Blattproduktion, ökologische Einflüsse sind auszuschließen, da Stangeria eriopus eine gänzlich andere Nische als die beiden Bowenia spp. besetzt.
Karyologie: Untersuchungen chromosomaler Charakteristika der Cycadeen decken sich bis dato weitgehend mit den morphologischen Daten. Eine Reihe von Arbeiten konzentriert sich hierbei auf die Gattung Zamia und die entsprechenden intra- und intergenerischen Zusammenhänge. Zamia zeigt sowohl intragenerische als auch intraspezifische karyologische Variation (Caputo et al., 1996 und hierin zitierte Literatur). So unterscheidet sich die Anzahl der metameren (M), submetameren (sM), anameren (A) und telomeren (T) Chromosomen, woraus P. Caputo und Mitarbeiter eine Phylogenie der Gattung Zamia ableiten. Auffällig ist, daß Arten mit hohen Chromosomenzahlen meist instabile Chromosomensätze haben, während solche mit einem Chromosomensatz von 2n=16 bzw. 18 relativ stabil sind. Eine derartige Variabilität wird durch zwei Prozesse ermöglicht: 1., den sogenannten 'Robertsonian changes', hierbei kommt es zur zentrischen Verschmelzung von zwei T-Chromosomen zu einem M-(sM-)Chromosom bzw. v.v. und 2., den sogenannten 'breeding mechanism', i.e. die Kreuzung von Individuen mit unterschiedlichen Genotypen.
Prinzipiell gilt auch hier, daß bisher nur ein kleiner Teil der Cycadeen bearbeitet worden ist und neue Erkenntnisse für Bewegung sorgen könnten. Daß solche Untersuchungen die morphologischen Daten bestätigen, liegt nicht zuletzt daran, daß es sich um die selbe Autorengruppe handelt. Die phylogenetische Aussagekraft derartiger Untersuchungen wird in der einschlägigen Fachliteratur z.T. sehr kritisch betrachtet.